Interessengruppen melden sich
Diese Interessengruppen sind gegen größere Fußgängerzone in Offenburg
Offenburg (Lars Reutter) Die City Partner und die Bürgergemeinschaft Offenburg Stadtmitte sprechen sich gegen eine Erweiterung der Fußgängerzone in der nördlichen Lange Straße aus.
City Partner und die Bürgergemeinschaft Offenburg Stadtmitte sprechen sich gegen ein „autoarmes Quartier“ in der nördlichen Lange Straße aus. Stand jetzt ist die Fläche für alle Verkehrsteilnehmer gedacht. Foto © Christian Wagner
Beschlossen ist zwar noch nichts, aber aufgeschreckt durch die Vorberichterstattung des Offenburger Tageblatts zum am Mittwoch, 3. Juli, tagenden Verkehrsausschuss, in dem es unter anderem um das Thema „Einrichtung eines autoarmen Quartiers in der nördlichen Lange Straße“ gehen wird, melden sich die City Partner und die Bürgergemeinschaft Offenburg Stadtmitte (siehe Infokasten) zu Wort.
„Detail-Probleme lassen sich nicht durch übergreifende Verbote lösen“, schreiben die City Partner. In der nördlichen Lange Straße sei durch einen aktuell guten Kompromiss zwischen Anwohnern und Gewerbetreibenden der Durchgangsverkehr deutlich verringert worden. Die gemeinsam genutzten Flächen hätten zu einem guten Miteinander zwischen allen Verkehrsteilnehmern (KFZ, Fahrradfahrern und Fußgängern) geführt. Durch den sogenannten Shared Space (geteilte Fläche) sei zudem der Zielverkehr aller Verkehrsteilnehmer zu den Geschäften, Handwerksbetrieben und Arztpraxen möglich. Die Einrichtung einer Fußgängerzone mit anliegerfreiem Verkehr in der nördlichen Lange Straße, wie sie die Grünen-Fraktion fordere, hätte aus Sicht der City Partner äußerst negative Folgen für anliegende Händler, Gastronomen, Dienstleister sowie Anwohner.
Umsatzeinbrüche
Im Gegensatz zu den Grünen und der Stadtverwaltung nennen die City Partner die wochenlange Sperrungsphase durch ein einsturzgefährdetes Haus als „bestes Beispiel“ für negative Folgen. „In dieser Zeit gab es massive Frequenz- und Umsatzeinbrüche bei den Einzelhändlern im Umfeld. Daraus ergibt sich nicht die Schlussfolgerung, den Verkehr aus dem Quartier ausschließen zu können, ganz im Gegenteil“, so die Vereinigung von Einzelhändlern, Gastronomen, Freiberuflern und Dienstleistern.
Die Grünen sprechen in ihrem Antrag auch von einer „chaotischen Verkehrssituation“ in der nördlichen Lange Straße. Auch dem widersprechen die City Partner. Laut Gewerbetreibenden in der nördlichen Lange Straße sei das Miteinander der Verkehrsteilnehmer mehrheitlich harmonisch. Ausnahmen, wie Falschparken oder Raserei sollte nach wie vor vom städtischen Ordnungsdienst streng geahndet werden. Dass ein solcher „gemeinsamer Verkehrsraum“, der noch nicht so lange bestehe, auch von allen Verkehrsteilnehmern noch eingeübt werden muss, ist nach Ansicht der City Partner „ganz normal“. Man sollte dem Konzept etwas mehr Zeit geben, bevor man es direkt wieder ad acta lege.
Gegen „Experimente“
Hintergrund des Konzeptes der von allen Verkehrsteilnehmern genutzten Fläche sei, dass der gesamte Verkehr mit dem sozialen Leben und der Kultur und Geschichte des Raums im Gleichgewicht stehe. Durch dieses Miteinander kann die Lebensqualität in einem Quartier gesteigert werden, meinen die City Partner. Sie weisen zudem darauf hin, dass Innenstadtexperten der IHK und Handelsverbände von reinen Fußgängerzonen abraten und sogar die Abkehr von reinen Fußgängerzonen empfehlen, wo dies
möglich sei. Reine Fußgängerzonen seien bundesweit stärker von Ladenleerständen betroffen als gemischt genutzte Straßen. Daher sei es bei der Planung der nördlichen Lange Straße auch Konsens gewesen, keine Fußgängerzone, einzurichten.
„Die Lange Straße eignet sich nicht für Experimente. Die Gefahr, dass durch eine Fehlentscheidung dauerhaft die noch vorhandene Infrastruktur aus Handel und Gastronomie verloren gehen könnte, ist zu groß.“ Wichtiger ist es aus Sicht der City Partner, zunächst die Planungen zur Steinstraße abzuschließen und umzusetzen, da bereits diese Maßnahmen weitreichende Folgen auf die Unternehmen der Innenstadt haben würden.
Genau dafür plädiert auch die Stadtverwaltung. Weshalb der Beschlussvorschlag lautet, ab 2028 mehrere Umsetzungsvarianten bezüglich Ausdehnung und Anwohner- und Lieferverkehr sowie ein Verfahrensvorschlag zur Einbindung der unterschiedlichen Akteure in den Prozess zu entwickeln.
Info
„Benachteiligung der Anwohner“
„Nicht nachvollziehen“ kann die Bürgergemeinschaft Offenburg Stadtmitte die Forderung der Grünen-Fraktion sowie die Ausführungen der Stadtverwaltung nach einem Zufahrtsverbot für Kraftfahrzeuge im Bereich der Klosterstraße, Lange Straße und Glaserstraße. „Als Vertreter der Bürger sehen wir eine Benachteiligung der Anwohner und Gewerbetreibenden im Stadtteil. Viele Anwohner müssen weiterhin ihre eigenen Grundstücke anfahren können. Es gibt auch vermietete Parkplätze, die uneingeschränkt genutzt werden müssen. Da der KFZ-Verkehr in den Nebenstraßen wie Glaser- und Klosterstraße bereits jetzt weitestgehend auf Anwohner und Lieferanten beschränkt ist, ist hier keine Verbesserung zu erwarten“, so die Bürgergemeinschaft.
Sie ist zudem skeptisch, ob es im Nachgang nicht zu weiteren Einschränkungen in Form von zeitlichen Zufahrtsverboten kommen würde. Gerade der Begriff „Anlieger“ sei sehr schwammig und garantiere den Anwohner und deren Besuchern nicht, dass diese frei entscheiden können, wann sie ihre Stellplätze und Garagen anfahren möchten. Und die „berüchtigten Elterntaxis“ würden sich auch kaum von einem Schild „Anlieger frei“ davon abhalten lassen, die Lange Straße zu befahren. Oder sind diese bei Anliegern mit inbegriffen?, fragt die Bürgergemeinschaft. Auch die Parkmöglichkeiten im Klosterhof für Kirchen- oder Konzertbesucher passe nicht in ein „Anfahrzeitmuster“.
Im Bereich der Alten Lange Straße, die bereits Fußgängerzone ist, komme es zu großen Problemen mit parkenden Autos und dem illegalen Befahren. Die Bürgergemeinschaft fragt sich auch: „Warum können im südlichen Teil der Lange Straße Poller aufgestellt werden, die unserer Ansicht nach den größten Nutzen mit dem geringsten Verschandeln haben, aber im nördlichen Teil nicht? In vielen anderen Städten werden Geländer, teilweise mit Blumen, aufgestellt, die das wilde Parken verlässlich verhindern würden.“ Zudem werde im Antrag vergessen, dass es nahe der Fußgängerzone auch Parkplätze für Menschen mit Behinderung gibt. Diese Parkplätze würden zwar oft von nicht berechtigten Autos verstellt, seien aber für Menschen mit Einschränkungen wichtig.
Es solle doch zuerst das „Wilde Parken und zu schnelle Befahren“ insbesondere auch von Fahr- und Zweirädern sowie E-Rollern nachhaltig unterbunden werden. „Damit würde die Attraktivität dieser Straße ganz klar zunehmen! Wenn aber ab Nachmittag und in den Abend hinein teilweise bis zu 20 Autos unberechtigt dort parken und die anderen Verkehrsteilnehmer ‚freies Spiel‘ haben, dann sicher nicht“, schreibt Vorsitzender Sören Knoll für die Bürgergemeinschaft Stadtmitte.
Quelle Offenburger Tageblatt 27.06.2024:
Gegen größere Fußgängerzone in Offenburg (Download als PDF-Dokument 231KB)